In der Großen Koalition gerät mehr und mehr jener „Ohne-uns“-Nationalpazifismus unter Beschuss, der beispielsweise die Politik der FDP-Außenminister prägte. Die Regierung verliert in Militärfragen zunehmend die Angst vor der Linkspartei.
Schneller als erwartet hat die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik nach Bildung der Großen Koalition einen Kurswechsel vollzogen. Er bringt sie fürs erste dahin zurück, wo man schon einmal vor 15 Jahren war, als sich die rot-grüne Regierung unter Kanzler Schröder dazu durchrang, an der Seite ihrer Verbündeten im Kosovo-Krieg zu intervenieren.
In der Zwischenzeit hat sich der Zustand der Bundeswehr derartig verschlechtert, dass man nun mit einiger Spannung erwarten darf, welche Taten den Worten auf der Münchner Sicherheitskonferenz vom Wochenende folgen werden. Dort hatten sich Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und die neue Verteidigungsministerin von der Leyen dafür ausgesprochen, dass Deutschland mehr Verantwortung in der Weltpolitik übernehmen müsse. Das würde aber auch heißen, im Notfall Soldaten einzusetzen. Der Beifall der Verbündeten war den Deutschen in München damit sicher. Sie hatten lange auf diese Botschaft warten müssen.
Damit hat sich die Bundesregierung abrupt von dem Kurs entfernt, den ihr die FDP unter Außenminister Westerwelle aufgezwungen hatte. Der nach Meinung nicht weniger Beobachter schwächste Außenminister, den die Bundesrepublik seit 1949 hatte, war dann mit Kanzlerin Merkel im Fiasko bei der Libyen-Abstimmung der UN vereint. Zu spät hatten beide begriffen, dass Deutschland sich mit seiner Stimmenthaltung von seinen Partnern im Westen noch weiter entfernen würde. Denn die warten seit Jahren darauf, dass Berlin seine Ausgaben für Verteidigung nicht weiter drosselt und endlich ernst mit der Ankündigung macht, die europäische Verteidigung auszubauen. Dem steht jedoch der deutsche Parlamentsvorbehalt im Wege, der die Bundesregierung dazu zwingt, in langen Konsultationsprozessen die Abgeordneten für ein Ja zu einem militärischen Einsatz zu gewinnen.
Union einmal mehr zur Partei der Beliebigkeit geworden
Die Abgeordneten fürchten wie die Kanzlerin die pazifistische Grundstimmung im Lande. Die SPD, in ihrer Geschichte immer tendenziell pazifistisch gesinnt, wird neuerdings von der Linkspartei in dieser Frage förmlich vor sich her getrieben, die Stimmung bei den Grünen wechselt – je nachdem, ob sie in der Opposition sind oder nicht.
Die große Überraschung der letzten Jahre war jedoch, dass sich auch die traditionell transatlantisch ausgerichtete Union dem allgemeinen Trend anschloss, nachdem Angela Merkel im Bundestagswahlkampf 2002 noch angedeutet hatte, dass die Union bei Übernahme der Regierungsverantwortung dazu bereit sei, an der Seite Amerikas in den Irakkrieg zu ziehen. Davon wollte sie später nichts mehr wissen, im Gegenteil, man hatte von ihr in letzter Zeit den Eindruck, als ob der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr der letzte Auslandseinsatz sein würde.
Nun ist alles anders geworden: Die Kanzlerin schweigt, sie war nicht in München, aber dafür sprechen andere. Wie weit es Steinmeier, der die schwerste Aufgabe hat, gelingen wird, zusammen mit seinen Regierungskollegen den allgemeinen Trend im Lande umzudrehen, der eher in der Nähe der Linkspartei liegt als irgendwo anders, ist abzuwarten.
FDP auch außenpolitisch ein Fiasko
Aber ein Grundsatz in der Politik bleibt gültig: Man kann Mehrheiten dann gewinnen, wenn man in vermeintlich aussichtsloser Lage um die Meinungsführerschaft kämpft. Der Mehrheitsmeinung nachzulaufen, wie es Genscher und sein „Lehrling“ Westerwelle in militärischen Fragen getan haben, zahlt sich nicht immer aus. Diese Erfahrung hat die FDP gerade gemacht, sie konnte mit dem Kurs ihres Außenministers bei den Bundestagswahlen nicht punkten. Dabei war sie in der Frühzeit der Bundesrepublik die Partei der Soldaten, des Millionenheeres der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen.
Nun muss die deutsch-französische Freundschaft dafür herhalten, die Diskussion zurück in die richtigen Bahnen zu lenken, Grundsatzfragen endlich hinter sich zu lassen und von Fall zu Fall zu prüfen, ob man sich in der Weltpolitik engagiert oder nicht. Denn die Zahl der Krisenherde nimmt zu.
Und die Konflikte rücken immer näher an Deutschland und an die EU heran. Am Anfang wird es genügen, ein paar Transportflugzeuge mehr und einige Dutzend Ausbilder nach Mali oder in die Zentralafrikanische Republik zu schicken. Aber das wird nicht auf Dauer genügen. Zumindest wird eine militärische Leistung von der Bundesrepublik verlangt werden, die in etwa jener Frankreichs und Großbritanniens entspricht.
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