Vor 50 Jahren war kurz die Frage der Einführung eines Mehrheitswahlrechts auf dem Tisch. Diese Chance wurde vertan – und so konnte die deutsche Politik zu jener Versorgungseinrichtung werden, die sie heute ist.
Zum Glück ist er kurz: der Bundestagswahlkampf des Jahres 2013. Infolge der unterschiedlichen Ferientermine in den deutschen Bundesländern wird er im Grunde genommen nur 2-3 Wochen dauern. Die Wähler atmen auf und die Parteiführer und für ein Mandat Kandidierenden aller Wahrscheinlichkeit nach auch. Denn als Mandatsträger ist man in Deutschland gut gebettet – vielleicht eine wichtige, wenn nicht die Erklärung, warum der Wahlkampf nicht so recht in Gang kommen will und die großen Themen fehlen. Gewiss, wenn man nach einer Legislaturperiode sein Abgeordnetenmandat wieder verliert, kann es Probleme bei der Rückkehr in den Beruf geben. Aber selbst das ist eine überschaubare Sorge, da viele Parlamentarier dem öffentlichen Dienst entstammen und so ein Recht auf Rückkehr in den Job haben, vor allem die Lehrer.
Aber auch sonst ist die Lage keineswegs hoffnungslos – und im Grunde genommen hat sie sich für die SPD während der Oppositionsjahre im Bund sogar stark verbessert. In einer ganzen Reihe von Bundesländern sind die Sozialdemokraten in Koalitionsregierungen vertreten, allen voran in den Schlüsselländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, wo sie mit Hannelore Kraft nicht nur die Ministerpräsidentin stellt, sondern wo aller Wahrscheinlichkeit nach das alte und neue politische Kraftzentrum der SPD liegen wird. Auch die Liberalen nutzten während der zweiten Amtszeit von Angela Merkel das ruhige Hinterland, das die Bundesländer bieten. Ihr Jungstar Christian Lindner baut gerade von Düsseldorf aus seine zweite Karriere in der Bundespolitik auf.
Mehrheitswahlrecht scheiterte an der SPD
Die Deutschen haben es sich in ihrem System der ‚checks and balances‘, der mitunter absurde Züge annehmenden Suche nach einhundertprozentiger Gerechtigkeit, bequem eingerichtet. Niemand kommt auf die Debatten vor rund 50 Jahren zurück, als die Einführung des relativen Mehrheitswahlrechts nach englischem Muster unmittelbar vor der Tür stand. Damals kniff die SPD, in der Großen Koalition mit der CDU/CSU befindlich, in letzter Minute. Sie befürchtete, bei Bundestagswahlen in eine strukturelle Minderheitsposition zu geraten und so für immer Juniorpartner der deutschen Konservativen zu werden. Wer weiß, wie die Dinge verlaufen wären, wenn es damals zu der Verfassungsänderung gekommen wäre, wenige Jahre, bevor die Partei strahlende Wahlsiege unter Willy Brandt und Helmut Schmidt einfuhr? Vielleicht hätte sie sich in diesen Jahren das Image einer ‚Siegerpartei‘ zulegen können, denn beim Wahlgewinner wollen die Wähler am Ende schließlich immer sein.
Nun, die Geschichte ist anders verlaufen und zumindest die Bezahlung und die Versorgung mit Jobs stimmen für die dadurch Begünstigten. Wenn man im Bund in die Oppositionsrolle gerät, kann man immer noch Minister in einem Bundesland werden oder Oberbürgermeister einer großen Stadt. Man kann für seine Partei einen Job im Ausland bei der Konrad-Adenauer-Stiftung bzw. der Friedrich-Ebert-Stiftung übernehmen, wie dies z.B. ein ehemaliger Regierender Bürgermeister Berlins getan hat. Oder man geht – eine Entwicklung der letzten 10 Jahre – in die Industrie und verdient ein Mehrfaches dessen, was die politischen Ämter hergeben.
Die Kampa als Parteizentrale in der Parteizentrale
Aber auch in Berlin sind die Bänke der Opposition weich gepolstert. Der Oppositionsführer im Parlament bezieht ein Gehalt, das an jenes des Regierungschefs nahe heranreicht. Die Fraktionsspitzen erhalten deutliche Aufschläge zu den Bundestagsdiäten, natürlich ebenso die Vorsitzenden der Ausschüsse und dasselbe Spiel wiederholt sich in den Bundesländern. Wenige fallen durch die Ritzen des Systems. Und neben dem quasi beamtenähnlichen System des Parlamentsbetriebs gibt es das ebenfalls staatlich alimentierte System der Parteiorganisationen, innerhalb dessen es sich sehr gut leben lässt. Der SPD-Parteivorsitzende Gabriel bekommt in etwa so viel an Gehalt wie ein Bundesminister. Und so leistet sich beispielsweise die SPD bei jedem Bundestagswahlkampf eine Zentrale in der Zentrale, die sogenannte Kampa, die dem jeweiligen SPD-Kanzlerkandidaten einen maßgeschneiderten Wahlkampf organisieren soll. Bei Steinbrück, so hat es den Anschein, kommt noch ein weiterer persönlicher Beraterstab hinzu.
Kurzum, man muss sich im Wahlkampf keine Sorgen um die Parteien und ihre Kandidaten machen. Die Sache ist durchfinanziert, (über)organisiert. Nun fehlen nur noch die Stimmen der Wähler.
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